Nun ist also auch der legendäre Science Fiction Comic VALERIAN verfilmt worden, und zwar von Star-Regisseur Luc Besson. Gut und schön, aber man sollte auch mehr als einen Blick auf die wunderbaren Original-Comics werfen, es zahlt sich aus …

Wir leben ja im Kinozeitalter der Comic-Verfilmungen, regelmäßig tummeln sich Comic-Figuren auf der Kinoleinwand, meistens sind es Superhelden in Strumpfhosen oder Latexuniformen. Es wurde also Zeit, dass auch der französische Raumagent VALERIAN gemeinsam mit seiner Partnerin LAURELINE die Kinosäle erobert. Selbstverständlich sind auch diese beiden Helden in schmucke schwarze Uniformen gewandet. Star-Regisseur Luc Besson höchstpersönlich hat den Science-Fiction-Stoff verfilmt, und uns erwartet ein knallbuntes, fantasievolles Leinwandspektakel mit unglaublichen Spezialeffekten. Ein wenig verstörend ist einzig die Tatsache, dass aus dem Titelhelden im Film – im Comic ein gestandener Mann mit kantigen Gesichtszügen – ein auf gut Wienerisch „Milchbubi“ mit Babyface wurde. Diese Abweichung vom Original ist aber zumindest einigermaßen nachvollziehbar, denn schließlich sollen ja die Teenager in Massen ins Kino strömen. Die rund 180 Millionen Dollar Produktionskosten der bislang teuersten europäischen Filmproduktion müssen ja wieder eingespielt werden. Luc Besson erfüllte sich übrigens mit der VALERIAN-Verfilmung einen Kindheitstraum, denn seit Jugendtagen ist er ein riesiger Fan des Comics.

Babyface: Der Kino-Valerian mit seiner Kino-Laureline (© Universum Film)

Babyface: der Kino-Valerian mit seiner Kino-Laureline (© Universum Film)

Eine Comic-Serie zum Verlieben

Die Prämisse der Comic-Serie: In den 1980er-Jahren hat sich die Menschheit durch einen Atomkrieg beinahe komplett ausradiert. Jahrhunderte später leben die Menschen mehr oder weniger friedlich in der Megacity „Galaxity“. VALERIAN handelt von den beiden „Raum-Zeit-Agenten“ Valerian und Laureline (auf Deutsch Valerian und Veronique), die mit kniffligen Aufgaben betraut werden und für Ruhe und Ordnung in der Galaxie sorgen. Das erste Abenteuer der beiden Helden erschien 1967, bis 1978 erschienen acht weitere Episoden mit den beiden Raumagenten. Verfasst wurden die Comics von Autor Pierre Christin und Zeichner Jean-Claude Mézières, koloriert wurden sie von Mézières Schwester Évelyne Tranlé. Auch im deutschsprachigen Raum war die Serie kurze Zeit Anfang der 1970er-Jahre sehr beliebt, als sie im Comic-Magazin ZACK erschien, doch bald geriet sie hierzulande beinahe in Vergessenheit. Ganz anders in Frankreich, wo VALERIAN zum Bestseller wurde und heute zum Kanon der klassischen Comicserien zählt. Insgesamt erschienen bis heute 23 Bände von den beiden Schöpfern der Serie, der letzte im Jahr 2014. Es sind aber vor allem die ersten acht Abenteuer aus den 70er-Jahren, die den Kultstatus der Serie begründen und die es absolut lohnenswert machen, VALERIAN nicht nur im Kino zu sehen, sondern auch zu lesen.

Warum Sie den Comic Valerian lesen sollten: Wegen Laureline natürlich! (© Mézières)
Warum Sie den Comic Valerian lesen sollten: wegen Laureline natürlich! (© Mézières)

4 Gründe, warum Sie den Comic VALERIAN lesen sollten:

  1. Bahnbrechendes Design und fantastische Zeichnungen
    Man muss es so sagen: Valerian und Veronique haben das Gesicht der modernen Science Fiction verändert. Mit grobem, lockerem Strich erschuf Mézières unglaublich fantasievolle außerirdische Wesen, Landschaften, Raumschiffe und Gebäude, seine Kreationen waren bahnbrechend. Hinzu kommt der unverwechselbare Zeichenstil von Mézières, der irgendwo zwischen „funny“ und realistischem Comic angesiedelt ist. Seit Jahrzehnten wird auch gerätselt, ob George Lucas den Comic kannte und sich davon beeinflussen ließ. Tatsächlich scheinen zahlreiche Figuren und Set-Designs von „Star Wars“ den Valerian-Comics entsprungen. Ganz offiziell beteiligt war Mézières hingegen 1997 beim Science Fiction-Film „Das fünfte Element“ von Luc Besson. Von ihm stammen zahlreiche Set-Designs.
  2. Laureline (alias Veronique)
    Laureline alias Veronique war die erste Comic-Heldin, in die man sich bedingungslos verlieben konnte. Natürlich gab es vor Laureline bereits weiblich Comic-Heldinnen, meistens waren es Superheldinnnen, eher bieder und langweilig (Wonder Woman-Fans mögen mir verzeihen). Frauen in Comics dienten meistens als optischer Aufputz oder als hilflose Subjekte, die von männlichen Helden gerettet werden wollten. Ganz anders Laureline: Mit ihrer Intuition und Intelligenz rettet sie nicht nur einmal Valerians Leben. Während Valerian eher impulsiv handelt und oft ein wenig naiv-blöd daherkommt, ist Laureline die eindeutig Schlauere. Und: Laureline ist gleichberechtigte Partnerin von Valerian. Dieser Ansatz war in den 1970er-Jahren nicht nur ungewöhnlich mutig, sondern revolutionär.
  3. Space Opera, aber politisch
    Autor Pierre Christin hat außergewöhnlich fantasievolle Geschichten erfunden, irgendwo zwischen Science Fiction und Fantasy. Christin ließ als politisch Linksliberaler aber auch Politik in seine Geschichten einfließen. Die Serie ist durchzogen von der Vision einer freien, multikulturellen Gesellschaft. Die drängenden Probleme seiner Zeit – Ausbeutung der Schwellenländer, Umweltzerstörung, Verblendung durch Religion, Zerstörung politischer Beziehungen durch Gier – verpackte er in interstellare Stories. Allerdings nie mit dem Holzhammer oder Zeigefinger, sondern elegant verpackt in Symbolen. Als Leser kann man den politischen Kontext wahrnehmen, muss aber nicht. Und siehe da, all die politischen Themen, die Christin in den 1970er-Jahren in seine Geschichten verpackte, sind heute mindestens genau so aktuell wie damals.
  4. Flower-Power-Flair: Valerian und Veronique (© Mézières)Flower-Power-Flair: Valerian und Veronique (© Mézières)
  • Zeitlos charmant
    Natürlich merkt man der Serie „Valerian und Veronique“ die Zeit ihrer Entstehung an, die Serie ist stark von der Ästhetik der 1970er-Jahre geprägt. Dennoch: Im Gegensatz zu vielen anderen Comic-Serien, die heute eine zentimeterdicke Staubschicht angesetzt haben, ist „Valerian und Veronique“ erstaunlich gut gealtert. Es ist der unglaublich lockere und herzerwärmende, typisch französische Charme, der auch heute noch wirkt.
Valerian und Veronique Gesamtausgabe
Valerian und Veronique Gesamtausgabe (© CARLSEN)

VALERIAN und VERONIQUE lesen

Wer Science Fiction und Comics mag, sich für Design interessiert und für Retro-Charme erwärmen kann, der sollte die Abenteuer der beiden Weltraumhelden auch lesen. Vom Verlag CARLSEN ist seit 2010 eine Gesamtausgabe der Comic-Serie im Handel. In sieben Bänden wurden die 21 regulären Geschichten veröffentlicht. Der Zusatzband „Souvenirs der Zukunft“ erschien als Album im Jahr 2014. Die Serie lässt sich in drei Phasen gliedern:

Phase: Die Bände 0 bis 8, erschienen 1967 bis 1978. Diese „klassischen“ Abenteuer begründen den Kultstatus der Serie (Carlsen Gesamtausgabe Band 1-3)

Phase: Die Bände 9 bis 12, erschienen 1980 bis 1985. Diese Geschichten stellen eine Zwischenphase dar. Valerian und Veronique kehren auf die Erde der 1980er-Jahre zurück. Die Autoren hatten nicht nicht mit dem lang anhaltenden Erfolg der Serie gerechnet, und die von ihnen angenommene Zerstörung der Erde im Jahr 1986 rückte immer näher. Also ließen sie Valerian und Veronique die Geschichte ändern und die Erde retten. Damit werden die beiden Zeit-Raum-Agenten allerdings logischerweise „arbeitslos“ (Carlsen Gesamtausgabe Band 4).

Phase: Die Bände 13 bis 22, erschienen 1988 bis 2014. Die Spätphase der Comic-Serie. Valerian und Veronique sind nun keine Agenten mehr, vagabundieren durch Zeit und Raum und werden in verschiedene Abenteuer verstrickt. Noch immer charmant, noch immer lesenswert, aber nicht mehr ganz so originell und innovativ wie die ersten 12 Abenteuer (Carlsen Gesamtausgabe Band 4-7).